
Wie viele Überstunden sind erlaubt?
Für viele Arbeitnehmer sind Überstunden keine Ausnahme. Doch wie viel Mehrarbeit ist eigentlich erlaubt? Und wer entscheidet darüber, ob Überstunden ausbezahlt werden oder Sie sie abfeiern dürfen?
11.12.2019 • 8 min Lesezeit
Was sind Überstunden?
Als Überstunden bezeichnet man die Überschreitung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit. Oder anders gesagt: Wenn ein Arbeitnehmer länger arbeitet als in seinem Vertrag vereinbart, dann macht er Überstunden. Ab wann Sie Überstunden machen hängt also von Ihrer vertraglich festgeschriebenen Arbeitszeit ab.
Sieht Ihr Arbeitsvertrag eine 30-Stunden-Woche vor, dann machen Sie „Überstunden“, sobald Ihre Arbeitszeit die 30-Stunden-Marke überschreitet. Arbeiten Sie wiederum in einer Vollzeitstelle und müssen laut Vertrag 40 Stunden in der Woche ableisten, dann machen Sie dementsprechend erst Überstunden, wenn Ihre 41. Stunde im Büro anbricht.
Was ist Mehrarbeit?
Im Gegensatz zu Überstunden beschreibt der Begriff „Mehrarbeit“ nicht die Überschreitung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit, sondern die Überschreitung der gesetzlich zulässigen Arbeitszeit. Wer länger arbeitet als 8 Stunden am Tag oder 48 Stunden in der Woche, der leistet in der Regel Mehrarbeit.
Wie viele Überstunden sind erlaubt und was gibt es zu beachten?
Die Zahl der zulässigen Überstunden ist gesetzlich nicht explizit geregelt. Dafür legt das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) jedoch genau fest, wie viel Stunden deutsche Arbeitnehmerinnen und Arbeit maximal pro Tag arbeiten dürfen.
Dazu heißt es in § 3 des Arbeitszeitgesetzes: „Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten.“
Aus dieser festgelegten Arbeitszeit von acht Stunden am Tag folgt nach dem Prinzip der 6-Tage-Woche, die bis heute als Basis für Gesetze wie das Arbeitszeitgesetz und das Bundesurlaubsgesetz herangezogen wird, eine maximale Wochenarbeitszeit von 48 Stunden. Auf ein Jahr gedacht – und mit den mindestens vier gesetzlich vorgeschriebenen Urlaubswochen – ergibt das eine maximale Arbeitszeit von 2.304 Stunden.
Laut des Arbeitszeitgesetzes kann die tägliche Arbeitszeit eines Arbeitnehmers in Ausnahmefällen jedoch von 8 auf maximal 10 Stunden verlängert werden, „wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden.“
Kurz und knapp bedeutet das: Ein Arbeitgeber darf einen Mitarbeiter für einen gewissen Zeitraum für mehr als 8 Stunden am Tag beschäftigen. Dies ist rechtlich aber nur dann erlaubt, wenn sich diese überschüssigen Arbeitsstunden auf längere Sicht durch verkürzte Arbeitszeiten wieder ausgleichen. Denn nur so kann die gesetzlich vorgeschriebene Maximalarbeitszeit von 8 Stunden am Tag im Durchschnitt eingehalten werden.
Laut § 7 des Arbeitszeitgesetzes können Tarifverträge sowie Betriebs- oder Dienstvereinbarungen jedoch abweichende Regelungen enthalten. Zudem sind nach § 18 des Gesetzes bestimmte Gruppen vom Arbeitszeitgesetz ausgenommen. Dazu gehören leitende Angestellte, Leiter von öffentlichen Dienststellen, Arbeitnehmer in häuslicher Gemeinschaft, die mit den ihnen anvertrauten Personen zusammenleben und sie eigenverantwortlich erziehen, pflegen oder betreuen, und Mitarbeiter im liturgischen Bereich der Kirchen und der Religionsgemeinschaften.
Muss ich Überstunden machen?
Prinzipiell darf Ihr Arbeitgeber Ihre Arbeitszeit nicht ohne weiteres ausweiten. Arbeiten Sie etwa 40 Stunden in der Woche, dann steht es der Chefetage nicht zu, plötzlich auf die Ableistung von Überstunden zu bestehen, mit der Ihre im Vertrag festgeschriebene 40-Stunden-Woche zu einer 41- oder 45-Stunden-Woche wird.
Überstunden können von Ihrem Chef nur dann einseitig eingefordert werden, wenn in Ihrem Arbeitspapier eine entsprechende Klausel enthalten ist. In diesem Fall haben Sie mit Ihrer Unterschrift des entsprechenden Tarifvertrags oder der Betriebsvereinbarung womöglich zugestimmt, dass Sie sich zu Überstunden verpflichten, wenn diese anfallen.
Ein Ausnahmefall, in dem Arbeitgeber Überstunden anordnen können, ohne dass eine entsprechende Regelung im Arbeitsvertrag festgehalten wurde, sind Notsituationen jeglicher Art. Diese können etwa bei einem Wasserrohrbruch, einem Brand oder eine Naturkatastrophe eintreten.
Wie viele Überstunden sind zulässig bei Teilzeit?
Auch bei Teilzeitstellen kann Ihr Chef nur dann Überstunden von Ihnen verlangen, wenn dies in Ihrem Arbeitsvertrag ausdrücklich so festgelegt ist. Nur in absoluten Ausnahmefällen – also zum Beispiel im Fall von Notsituationen wie einem Brand am Arbeitsplatz – kann er auch außerplanmäßig Mehrarbeit von Ihnen einfordern, um Schaden von der Firma abzuwenden oder Aufräumarbeiten zu leisten.
Arbeitnehmer in Teilzeit sollten in jedem Fall besonders darauf achten, dass sie ihre vertraglich vereinbarte Arbeitszeit einhalten und nicht regelmäßig länger arbeiten. Denn wie ein Urteil des Landgerichts Hamm (Az. 8 Sa 2046/ 05) belegt, kann eine langfristige Mehrbeschäftigung einer Teilzeitkraft zu einer „stillschweigenden Änderung des Arbeitsvertrags“ führen. Soll heißen: Wer als Teilzeitbeschäftigter über Monate und Jahre hinweg Überstunden macht, der signalisiert rechtlich, dass dies eine einvernehmliche Lösung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist – und landet womöglich ungewollt in der Vollzeitbeschäftigung.
Überstundenvergütung: Müssen Überstunden bezahlt werden?
Arbeitgeber müssen von Mitarbeitern geleistete Überstunden im Normalfall bezahlen. Eine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung zur Vergütung von Überstunden gibt es nicht.
Je nachdem, welche Regelungen in Ihrem Arbeitspapier enthalten sind, kann es sein, dass Sie für geleistete Überstunden einen Zuschlag erhalten oder einfach entsprechend ihrer Grundvergütung für die zusätzlich geleistete Arbeit entlohnt werden. In letzterem Fall lässt sich die Vergütung, die Ihnen für Ihre Überstunden zusteht, ganz einfach berechnen, indem Sie ihren Stundenlohn ermitteln und diesen mit der Zahl der Überstunden multiplizieren.
Arbeiten Sie also etwa für 2.500 Euro brutto im Monat und sind laut Ihres Arbeitsvertrags für 40 Stunden die Woche angestellt, dann beträgt Ihr Stundenlohn – ausgehend von der Annahme, dass ein Monat im Durchschnitt 4,33 Wochen hat – genau 14,43 Euro. Haben Sie nun im letzten Monat 10 Überstunden geleistet, dann stehen Ihnen dementsprechend zusätzlich zu Ihrer Grundvergütung 144,30 Euro zu.
Auch wenn Ihr Arbeitspapier gar keine Regelungen zur Vergütung von Überstunden enthält, muss Ihr Arbeitgeber Sie im Zweifelsfall für die zusätzlich geleistete Arbeit entlohnen. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn eine Überstundenvergütung für ihren Beruf eigentlich branchenüblich ist.
Unbezahlte Überstunden
Obwohl Arbeitgeber in Deutschland im Regelfall dazu verpflichtet sind, Überstunden zu vergüten, gibt es Ausnahmefälle, in denen Arbeitnehmer mit unbezahlten Überstunden rechnen müssen.
Dies kann Ihnen zum Beispiel dann passieren, wenn sie als „leitender Angestellter“ arbeiten. Da sogenannte „Dienste in höherer Art“ nicht unbedingt für die abzuleistenden Stunden vergütet werden, sondern vielmehr für die Verrichtung bestimmter Aufgaben, bekommen Angestellte hier in der Regel keine Überstundenvergütung. Arbeiten Sie also etwa als Arzt, Rechtsanwalt oder Steuerberater, müssen Sie deshalb davon ausgehen, dass Sie für Ihre zusätzlich geleisteten Stunden nicht bezahlt werden.
Ähnliches kann Ihnen auch blühen, wenn Sie für Ihre Arbeit eine „deutlich herausgehobene Vergütung“ erzielen, also in Westdeutschland jährlich mehr als 80.400 Euro oder in Ostdeutschland mehr als 73.800 Euro verdienen (Stand 2019). Dies liegt daran, dass das Bundesarbeitsgericht (BAG) in der Vergangenheit wiederholt geurteilt hat, dass die Bezahlung von Mehrarbeit ab einer bestimmten Gehaltsklasse „unüblich“ ist.
Ist es rechtens, wenn Überstunden mit Gehalt abgegolten werden?
Vertragsklauseln, die darauf abzielen, alle Überstunden von Mitarbeitern pauschal mit ihrem monatlichen Festgehalt abzugelten, sind in Deutschland unzulässig. Steht in Ihrem Arbeitspapier, dass „Überstunden mit dem Gehalt“, „mit der vereinbarten Monatsvergütung“ oder mit der „vorstehenden Vergütung“ abgegolten sind, dann widerspricht das der gültigen Rechtsprechung. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) urteilte nämlich bereits im Jahr 2010, dass entsprechende Passagen in Arbeitsverträgen oder Betriebsvereinbarungen zu ungenau und deshalb „ungültig“ sind.
Vereinbarungen, die konkret benennen, in welchem Umfang Überstunden mit dem Monatsgehalt abgegolten werden, sind wiederum in den meisten Fällen zulässig. Steht in Ihrem Arbeitsvertrag also beispielsweise, dass mit ihrem monatlichen Festgehalt „Überstunden im Umfang von bis zu 10 Prozent der vereinbarten Wochenarbeitszeit“ abgegolten werden oder „bis zu 3 Überstunden pro Woche“, dann ist das durchaus rechtens. Dennoch müssen Überstunden, die die festgelegte Pauschale überschreiten, ausbezahlt oder mit Freizeit ausgeglichen werden.
Überstundenabbau: Freizeitausgleich
Anstatt Überstunden zu vergüten, ziehen es Arbeitgeber oftmals vor, die Überstunden ihrer Angestellten durch einen sogenannten „Freizeitausgleich“ abzubauen. Einem Arbeitnehmer der 16 Überstunden geleistet hat und im Schnitt 8 Stunden am Tag arbeitet können nach diesem Prinzip zwei (bezahlte) freie Tage gestattet werden, um seine Mehrarbeit durch Freizeit auszugleichen.
Auch ein Freizeitausgleich muss jedoch vertraglich festgehalten sein, damit er rechtsgültig ist. Steht in Ihrem Arbeitspapier eine Klausel, die den Abbau von Überstunden durch Freizeitausgleich untersagt, dann bleibt Ihrem Chef nichts anderes übrig, als Sie für Ihre Überstunden zu bezahlen.
Kann ich Überstunden abfeiern wann ich will?
Arbeitnehmer haben keinen gesetzlich geregelten Anspruch darauf, ihre Überstunden nach eigenem Ermessen abzubauen. Im Gegenteil: Es liegt in der Hand des Arbeitgebers, den Zeitpunkt für einen Überstundenabbau durch Freizeitausgleich festzulegen. Dies kann zum Beispiel dann Sinn ergeben, wenn in einem Betrieb gerade weniger Arbeit anfällt als üblich.
Im Normalfall sollten Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich jedoch gemeinsam auf einen geeigneten Zeitpunkt für den Überstundenabbau einigen. Ein Ausnahmefall tritt dann auf, wenn Ihr Arbeitsvertrag eine Klausel enthält, die es Ihnen erlaubt, Ihre Überstunden nach eigenem Ermessen abzufeiern.
Muss ich die Überstunden nachweisen?
Das passende Gerichtsurteil: Überstunden müssen nachgewiesen werden
Will sich ein Arbeitnehmer seine Überstunden bezahlen lassen, muss er deren Ableistung beweisen – ebenso wie deren Anordnung oder Billigung durch den Arbeitgeber. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden. Daran habe sich auch nichts durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs geändert, der vor drei Jahren verlangt hatte, dass Unternehmen die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten zuverlässig aufzeichnen (Az.: 5 AZR 359/21; 5 AZR 451/21; 5 AZR 474/21).
Wann verfallen Überstunden?
Überstunden verjähren in der Regel nach 3 Jahren (jeweils zum 31. Dezember des dritten Jahres). Es gibt allerdings keine gesetzliche Regelung darüber, bis wann Überstunden abgebaut oder bezahlt werden müssen.
Trotzdem kann Ihr Arbeits- oder Tarifvertrag Klauseln enthalten, die Ihren Anspruchszeitraum verkürzen. Laut der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) sind dabei Verkürzungen auf bis zu drei Monate zulässig. Noch drastischere Einschnitte sind laut einem BAG-Urteil aus dem Jahr 2005 allerdings unzulässig (Az. 5 AZR 52/05).
Was passiert mit Überstunden bei Kündigung?
Auch bei einer fristmäßigen oder fristlosen Kündigung haben Arbeitnehmer einen Anspruch darauf, sich ihre Überstunden auszahlen zu lassen oder diese anderweitig abzugelten. Welche Überstundenregelung dabei im Einzelfall gilt, hängt von dem jeweiligen Arbeitsvertrag ab.
Steht in Ihrem Arbeitspapier eine Klausel, die den Abbau von Überstunden durch Freizeitausgleich vorsieht, dann können Sie diesen auch nach Ihrer Kündigung geltend machen. Dies ist natürlich nur dann möglich, wenn Ihnen bis zum Ende ihres Arbeitsverhältnisses noch ausreichend verbleibende Arbeitszeit zur Verfügung steht, um Ihre Überstunden abzubauen.
Sind in Ihrem Vertrag keine Klauseln zu einem Freizeitausgleich enthalten, dann ist Ihr Arbeitgeber verpflichtet, Ihnen die geleisteten Überstunden auszuzahlen. Dabei sollten Sie in jedem Fall darauf achten, Ihre geleisteten Überstunden genau zu notieren oder auf einem Arbeitszeitkonto nachzuverfolgen, um immer einen Nachweis in der Hand zu haben.
Wie werden Überstunden versteuert?
Da es sich bei bezahlten Überstunden qua Gesetz um regulären Lohn handelt, werden diese auch ganz normal versteuert. Wer Überstunden macht und sich diese auszahlen lässt, der hat am Ende des Jahres auch mehr verdient und muss dementsprechend mehr Steuern zahlen. Überstunden sind also weder steuerfrei noch steuerbegünstigt.
Nicht zuletzt deshalb kann es sich für Arbeitnehmer lohnen, Überstunden durch einen Freizeitausgleich abzubauen, anstatt sie sich auszahlen zu lassen.
Könnte Sie auch interessieren