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Neulich wäre ich fast kriminell geworden. Zumindest hätte das einem Kontrolleur der Düsseldorfer Rheinbahn so gepasst. Der Kontrolleur behauptete nämlich, ich fahre schwarz. Obwohl ich erst Sekunden vorher in die Bahn gestiegen und direkt zum Fahrkartenautomaten in der Mitte des Wagens gegangen war, wo der Ticketautomat hängt. Zum Glück bestätigte ein anderer Fahrgast als Zeuge, das ich tatsächlich in Richtung Automat unterwegs war – und das mit dem Portemonnaie in der Hand. Angesichts so tatkräftiger Schützenhilfe gab der Schaffner nach und erlaubte, dass ich mein Ticket zog. Was dann witziger Weise daran scheiterte, dass der Automat gar nicht funktionierte.

Juristisch korrekt nennt sich das Schwarzfahren "Beförderungs­erschleichung".

Mein kleines Erlebnis zeigt: Schwarzfahrer sind sicher ein wirtschaftliches Problem für die Verkehrsbetriebe. Aber umgekehrt gibt es Tag für Tag auch genug Fahrgäste, die wegen undurchsichtiger Tarifsysteme, fehlender fremdsprachlicher Hinweise oder nicht funktionierender Automaten ins Räderwerk der Schwarzfahr-Paragrafen geraten. Auch wenn das zunächst mal nur nach Bagatelle klingt, kann am Ende der Geschichte sogar eine handfeste Vorstrafe stehen, die sich nicht sonderlich gut im Lebenslauf macht. Deshalb möchte ich heute einen kleinen Überblick rund ums "Schwarzfahren" geben.

Juristisch korrekt nennt sich das Schwarzfahren "Beförderungserschleichung". Dafür ist es aber trotz des Wortbestandteils "erschleichen" interessanterweise nicht erforderlich, irgendwas Böses zu machen. Unsere Gerichte bejahen ein Erschleichen schon dann, wenn man sich den Anschein des "Ordnungsgemäßen" gibt und den Eindruck erweckt, im Besitz einer Fahrkarte zu sein. Ja, es hilft in diesem Fall nicht mal, wenn man ein T-Shirt mit dem Aufdruck "Ich fahre schwarz" anzieht und damit gegen hohe Fahrpreise demonstriert. Auch dieser kreative und engagierte Fahrgast wurde knallhart als Schwarzfahrer verurteilt.

"Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr drohen. "

Strafanzeigen werden normalerweise nur im Wiederholungsfall erstattet

Der Mann war allerdings wohl nicht nur Überzeugungs-, sondern auch Wiederholungstäter. Denn immerhin billigen die meisten deutschen Verkehrsbetriebe ihren Fahrgästen einen "Freischuss" zu. Das heißt, Strafanzeigen werden normalerweise nur im Wiederholungsfall erstattet. Das entspricht auch der Praxis der meisten Staatsanwaltschaften, die über eine Anklage zu entscheiden haben. Ähnlich wie bei kleineren Ladendiebstählen kann man bei uns darauf hoffen, dass beim "ersten Mal" Gnade vor Recht ergeht. Das Verfahren wird deshalb bei Ersttätern regelmäßig eingestellt, auch bei Jugendlichen. Kinder bis 14 Jahre können überhaupt nicht als Schwarzfahrer bestraft werden, denn sie sind nicht strafmündig. Wer es allerdings übertreibt und öfter erwischt wird, dem kann ganz am Ende der Eskalationskette sogar eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr drohen.

Ausnahmeregelung für personengebundene Monatstickets

Die mögliche Strafe ist das eine, das sogenannte "erhöhte Beförderungsentgelt" ist das andere. Die 60 Euro erhöhtes Beförderungsentgelt kassieren die Verkehrsbetriebe in eigener Regie – und dabei sind sie nach meiner Erfahrung als Anwalt relativ unnachsichtig. Dabei gibt es durchaus auch Grenzfälle, in denen sich eine Diskussion lohnt. Etwa, wenn man (gerade als Ortsfremder) nicht wusste, dass auch ein Einzelticket gesondert entwertet werden muss. Ein häufiger Streitpunkt ist auch das personengebundene Monatsticket. Wer diese Fahrkarte am Tag der Kontrolle nur vergessen hat, ist juristisch kein Schwarzfahrer. Der Verkehrsbetrieb muss die Möglichkeit geben, das Ticket nachträglich zu zeigen. Dafür darf er höchstens eine kleine Bearbeitungsgebühr nehmen. Bei nicht personengebundenen Tickets wie dem „Ticket 2000“ im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr gilt das leider nicht.

Ein Foto eines defekten Fahrkartenautomaten dient als Beweismittel

Wenn der Fahrkartenautomat im Bahnhof oder am Bahnsteig kaputt ist, darf man trotzdem zusteigen. Nach dem Einstigen ist es dann sehr wichtig, den Schaffner anzusprechen (sofern es einen gibt). Oder man nutzt den Automaten im Fahrzeug, so denn einer vorhanden ist. Natürlich ist man in so einer Situation erst mal auf das Wohlwollen des Personals beziehungsweise der Kontrolleure angewiesen. Dabei kann es allerdings enorm helfen, wenn man entsprechende Beweismittel hat. Zum Beispiel ein Foto des defekten Automaten. So ein Bild ist mit dem Handy ja schnell gemacht.

Kontrolleure haben keine besonderen Rechte. Das heißt, der Fahrgast muss zwar sein Ticket zeigen und eventuell den Lichtbildausweis – mehr aber auch nicht. Insbesondere dürfen Kontrolleure den Fahrgast nicht am Aussteigen hindern, bloß weil sie mit der Kontrolle noch nicht fertig sind. Erst in dem Augenblick, in dem sich gegen den Fahrgast ein konkreter Schwarzfahrverdacht ergibt, greift das sogenannte "Festnahmerecht". Dann dürfen die Kontrolleure den Fahrgast notfalls mit Gewalt festhalten, bis die Polizei kommt.

Um genau das zu verhindern, gibt es in vielen Städten mittlerweile sehr aktive Gruppen, in denen sich Menschen via Facebook, Twitter oder What's App über aktuelle Kontrollen informieren. Also eine Art "Radarwarner" für den ÖPNV. Das muss man als zahlender Fahrgast nicht unbedingt gut finden – illegal sind solche Gruppen aber nicht. Jedenfalls so lange, wie keine Fotos gepostet werden, auf denen die Gesichter der Kontrolleure erkennbar sind. Das wäre eine krasse Persönlichkeitsrechtsverletzung – und strafbar wie das Schwarzfahren selbst.

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