
Cybermobbing ist kein Kavaliersdelikt
Udo Vetter schreibt exklusiv für die ARAG.
16.05.2013
Zu den weniger schönen Erinnerungen an meine Kindheit gehören etwa sechs Monate, in denen ich gemobbt wurde. Die "Großen" aus der übernächsten Jahrgangsstufe hatten es auf mich abgesehen. Ich wurde gehänselt und getriezt. Warum, weiß ich bis heute nicht genau.
Zum Glück standen mir meine Eltern zur Seite. Sie intervenierten beim Schulleiter, bei den Eltern der Mitschüler - und gegen einen, der es besonders übel trieb, erstatten sie sogar Strafanzeige. Als die Polizei in der Schule vorbei schaute und einige deutliche Worte sprach, verloren die Akteure schlagartig das Interesse an mir.
Wohl jeder Erwachsene hat solche Erinnerungen an früher. Neu ist Mobbing also keineswegs. Aber der Schauplatz hat sich verlagert: vom Schulhof ins Internet. Wie im wirklichen Leben gibt es in Sozialen Netzwerken keineswegs nur „Freunde" - auch wenn zum Beispiel Facebook interessanterweise keinen anderen Beziehungsstatus kennt.
Eine große Zahl junger Menschen wird heute online gemobbt. Die aktuelle Studie des Bündnis gegen Cybermobbing und der ARAG zeigt, dass jeder fünfte Jugendliche Opfer von digitaler Gewalt wird. Die Intensität reicht von simplen Hänseleien bis zu hartnäckigen Verleumdungen oder gar Nötigung. Besonders traurig ist das Schicksal von Amanda Todd. Der britische Teenager sah nach Online-Stalking keinen anderen Ausweg als den Freitod.
So vielfältig die Formen des Cybermobbings sind, so wenige Patentrezepte gibt es dagegen. Leider. Seinen Kindern zum Beispiel totale Online-Abstinenz zu verordnen, ist heute schlicht nicht möglich (zumal das Internet ja nicht nur negative Aspekte hat). Auch eine Totalkontrolle des Nachwuchses ist ebenso wenig machbar - und pädagogisch auch ja auch höchst kontraproduktiv.
Am wichtigsten ist es nach meiner Meinung, nicht die Augen zu verschließen und stets ein offenes Ohr für sein Kind zu haben. Gibt es Signale für Cybermobbing, sollte sofort entschlossen gehandelt werden. Dazu gehört, die Eltern mutmaßlicher Mobber zu kontaktieren, gegebenenfalls auch die Schulleitung oder das Jugendamt.
Wenn freundliche Worte am Ende nichts helfen, sollte man keinesfalls mit den Achseln zucken. Denn das Internet ist, auch wenn es mitunter behauptet wird, kein rechtsfreier Raum. So ist es etwa möglich, Cybermobber zu verklagen. Die Zivilgerichte haben heutzutage überhaupt kein Problem damit, in ernsten Fällen einstweilige Verfügungen gegen Cybermobber zu erlassen.
Besteht daneben der Verdacht auf eine Straftat (dazu gehören auch simple Beleidigungen), muss die Polizei Ermittlungen aufnehmen. Das gilt übrigens auch, wenn die Nachstellungen aus der Anonymität heraus erfolgen. Man sollte sich also keineswegs „abwimmeln“ lassen, sondern auf Protokollierung der Anzeige bestehen.
Damit hilft man auch anderen Betroffenen. Denn je mehr Beweise gegen einzelne Cybermobber am Ende vorliegen, desto eher kann ihnen das Handwerk gelegt werden.
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