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16.05.2019

„Das ist ja Wucher!“ Diesen Ausruf hatte wohl jeder schon einmal auf den Lippen oder zumindest im Sinn, wenn an der Kasse oder per Rechnung eine horrende Summe als Entgelt für eine geringe Gegenleistung genannt wird. Aber was verbirgt sich tatsächlich hinter dem etwas angestaubt wirkenden Wort? Was juristisch gesehen tatsächlich Wucher ist und welche Folgen er hat, erklären ARAG Rechtsexperten.

Wucher: Was ist das?

Liegt bei einem Handel oder einer Dienstleistung ein auffälliges Missverhältnis zwischen der erbrachten Leistung und der Gegenleistung vor, spricht der Jurist von einem sittenwidrigen Rechtsgeschäft. Zum Wucher wird dies laut Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) erst, wenn bei dem Kunden eine Schwächesituation vorliegt und diese vom Händler oder Dienstleister bewusst ausgenutzt wird. Im Allgemeinen ist ein auffälliges Missverhältnis dann anzunehmen, wenn die Gegenleistung den tatsächlichen Wert der Leistung um 100 Prozent überschreitet. Maßgeblich sind – wie so oft in der Rechtsprechung – die genauen Umstände des Einzelfalls.

Ein Rechtsgeschäft, das gegen § 138 Absatz 2 BGB verstößt, ist nichtig. Zudem kann eine Straftat gemäß § 291 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) vorliegen, die mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe geahndet wird. In besonders schweren Fällen ist laut § 291 Abs. 2 StGB sogar eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren möglich. So ein besonders schwerer Fall liegt vor, wenn der Täter durch die Tat den anderen in wirtschaftliche Not bringt, die Tat gewerbsmäßig begeht oder sich durch Wechsel wucherische Vermögensvorteile versprechen lässt.

Branchen unter Generalverdacht

Immer wieder hört man Geschichten – wahr oder erfunden –, die von dreister Abzocke berichten. Eine Branche kommt dabei besonders schlecht weg: Der Schlüsseldienst oder der Schlüsselnotdienst. Nach landläufiger Meinung ist, wer sich aus seiner Wohnung ausgeschlossen hat, doch schon fast um seine Ersparnisse gebracht. Ganz so drastisch ist es vielleicht nicht. Aber so etwas kommt leider vor. Zwei Urteile verdeutlichen den Unterschied zwischen den strafrechtlichen und zivilrechtlichen Folgen des Wuchers.

Fall 1

Der Betreiber eines Schlüsseldienstes in Köln wurde des Wuchers beschuldigt. Er war von einem Mann gerufen worden, der sich versehentlich aus seiner Wohnung ausgeschlossen hatte. Nach nur einer Minute öffnete er die Wohnungstür mit einer Plastikkarte. Hierfür rechnete er rund 320 Euro ab. Die Staatsanwaltschaft war der Auffassung, dass die Arbeiten höchstens einen Wert von 130 Euro gehabt hätten und klagte den Schlüsseldienstbetreiber wegen Wuchers gem. § 291 Strafgesetzbuch (StGB) an. Amts- und Landgericht hatten den Schlüsseldienstbetreiber von diesem Vorwurf freigesprochen. Das danach zuständige Oberlandesgericht (OLG) hat den Freispruch in einer weiteren Entscheidung bestätigt. Für eine Strafbarkeit wegen Wuchers sei erforderlich, dass der Angeklagte eine Zwangslage ausbeute. Das sei vorliegend nicht der Fall gewesen, so die Richter. Allein das Ausgesperrtsein reiche als Zwangslage im Sinne des Strafgesetzes nicht aus. Es müssten weitere Umstände vorliegen, um den Tatbestand des Wuchers zu erfüllen. Wenn zum Beispiel ein Kind in der Wohnung eingesperrt sei oder wegen eingeschalteter elektrischer Geräte Brandgefahr bestehe, werde in der Regel eine dringende Notsituation bestehen, die die sofortige Beauftragung des Angeklagten rechtfertigt, so das Gericht.

Im vorliegenden Fall sei es dem Ausgeschlossenen aber zumutbar gewesen, sich vor Beauftragung des Schlüsseldienstes nach den Preisen zu erkundigen und gegebenenfalls Alternativangebote einzuholen, zumal ein Nachbar Hilfe angeboten hatte (OLG Köln, Az.: 1 RVs 210/16). Die ARAG Experten weisen aber darauf hin, dass der strafrechtliche Freispruch nichts darüber aussagt, ob die Rechnung des Schlüsseldienstes auch gezahlt werden musste. Denn zivilrechtlich kann der Vertrag mit dem Schlüsseldienst durchaus nichtig sein.

Fall 2

Ein Autovermieter stand vor Gericht, weil er einen Pkw zu einem Preis verliehen hatte, der 95 Prozent über dem ortsüblichen Gesamtpreis lag. Das zuständige Gericht erklärte das Rechtsgeschäft tatsächlich für nichtig – wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 BGB. Der Geschädigte befand sich in einer Zwangslage, da wegen des unfallbedingten Verlustes seines Wagens für ihn ein zwingender Bedarf nach der Leistung des Vermieters bestand (AG Kleve, Az.: 29 C 311/12).

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Fazit

Die Beispiele zeigen, dass für den zivil- und strafrechtlich relevanten Sachverhalt des Wuchers die Höhe des Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung nicht ausschlaggebend ist. Vielmehr muss auf der Seite des Geschädigten eine Zwangslage hinzukommen, die der Wucherer zu seinen Gunsten ausnutzt oder die den Geschädigten zwingt, auf überhöhte Forderungen einzugehen

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