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16.09.2011

Jugendliche im Rechtsalltag

ARAG Experten erklären, wann ein Jugendlicher für sein Tun bestraft wird, also im Extremfall ins Gefängnis kommen kann. Hier war der Gesetzgeber kritischer mit der Einsichtsfähigkeit des Minderjährigen und hat die Untergrenze bei 14 Jahren angesetzt.

Eine Frage (nicht nur) des Alters
So geht beispielsweise der Anführer einer Kinderbande strafrechtlich leer aus, wenn er noch keine 14 Jahre alt ist. Auch die Volljährigkeit ist zumindest strafrechtlich eingeschränkt. Von 18 bis 21 Jahren spricht der Strafrechtler von einem „Heranwachsenden“. Die Richter wägen bei einer Verfehlung eines Heranwachsenden ab, ob von der Art und den Umständen der Straftat oder der Einsichtsfähigkeit, Persönlichkeit und Entwicklung des jungen Menschen her es sich um eine typische Erwachsenenstraftat handelt oder das Ganze noch jugendliche Züge trägt.

Im ersten Fall trifft den jungen Menschen grundsätzlich die volle Härte des Gesetzes, im zweiten Fall wird das mildere Jugendstrafrecht angewandt. Das sieht selbst bei Mord- und Totschlag eine Höchststrafe von zehn Jahren vor und lässt es bei kleineren Delikten mit Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln wie einer Verwarnung, Erteilung von Auflagen oder Jugendarrest bewenden. Dabei steht im Vordergrund, dass der Jugendliche oder der Heranwachsende nicht als grundsätzlicher Rechtsbrecher angesehen wird, sondern auf erzieherischem Wege auf der rechten Bahn gehalten oder dorthin zurückgeführt wird.

Aus relevanten Gesetzen

§ 1 JGG: (2) Jugendlicher ist, wer zurzeit der Tat vierzehn, aber noch nicht achtzehn, Heranwachsender, wer zurzeit der Tat achtzehn, aber noch nicht einundzwanzig Jahre alt ist.
§ 3 JGG: Ein Jugendlicher ist strafrechtlich verantwortlich, wenn er zurzeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug ist, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.
§ 13 JGG: (1) Der Richter ahndet die Straftat mit Zuchtmitteln, wenn Jugendstrafe nicht geboten ist, dem Jugendlichen aber eindringlich zum Bewusstsein gebracht werden muss, dass er für das von ihm begangene Unrecht einzustehen hat. (2) Zuchtmittel sind 1. die Verwarnung, 2. die Erteilung von Auflagen, 3. der Jugendarrest. (3) Zuchtmittel haben nicht die Rechtswirkungen einer Strafe.
§ 14 JGG: Durch die Verwarnung soll dem Jugendlichen das Unrecht der tat eindringlich vorgehalten werden.
§ 15 JGG: (1) Der Richter kann dem Jugendlichen auferlegen, 1. nach Kräften den durch die Tat verursachten Schaden wieder gut zu machen, 2. sich persönlich bei dem Verletzten zu entschuldigen, 3. Arbeitsleistungen zu erbringen oder 4. einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung zu zahlen.
§ 16 JGG: (1) Der Jugendarrest ist Freizeitarrest, Kurzarrest oder Dauerarrest.
§ 17 JGG: (1) Die Jugendstrafe ist Freiheitsentzug in einer für ihren Vollzug vorgesehenen Einrichtung. (2) Der Richter verhängt Jugendstrafe, wenn wegen der schädlichen Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung nicht ausreichen oder wenn wegen der Schwere der Schuld Strafe erforderlich ist.
§ 18 JGG: (1) Das Mindestmaß der Jugendstrafe beträgt sechs Monate, das Höchstmaß fünf Jahre. Handelt es sich bei der Tat um ein Verbrechen, für das nach dem allgemeinen Strafrecht eine Höchststrafe von mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe angedroht ist, so ist das Höchstmaß zehn Jahre. Die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts gelten nicht.

Urteile

Eine 20-jährige Heranwachsende hatte einen Waggon mit Graffiti besprüht und wurde wegen Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe verurteilt. Das Erwachsenenstrafrecht kam zur Anwendung, da die Täterin nach der Gesamtwürdigung ihrer Persönlichkeit für ihr Alter geistig normal entwickelt war. Die Richter sahen es auch nicht als eine typische Jugendverfehlung an, da Sachbeschädigungen durch Graffiti-Sprühen auch von Erwachsenen begangen werden (OLG Düsseldorf, 2 Ss 364/97 – 61/97 III, NJW 1999, 1199).
Ein knapp 15-jähriger Junge, der, durch Horrorfilme animiert, sich als Horrorfigur verkleidet und mit dem Messer auf andere (hier eine Nachbarin) einsticht und mit dem Beil auf ein anderes Mädchen (hier seine Kusine) einschlägt, hatte durchaus strafrechtliche Einsichtsfähigkeit in das Unrecht seines Tuns. Das Hineinsteigern in eine Filmfigur ist hierzu nicht widersprüchlich. Er wird deshalb nach dem Jugendstrafrecht wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen bestraft (LG Passau, KLs 101 Js 3424/96 jug, NJW 1997, 1165).
Das Jugendschöffengericht des Amtsgerichts Duisburg hat zwei junge Männer wegen des Ausspähens von Daten und Verstößen gegen das Urheberrechtsgesetz verurteilt. Gegen den 18-jährigen Angeklagten verhängte das Gericht eine Jugendstrafe von 18 Monaten ohne Bewährung. Der 23-jährige Mitangeklagte bekam 18 Monate auf Bewährung. Den beiden Angeklagten wurden 130 Verstöße gegen das Urheberrechtsgesetz sowie 98 Fälle des Ausspähens von Daten zur Last gelegt (Amtsgericht Duisburg, Urteil vom 16.06.2011).
Ein 18-jähriger Angeklagter war wegen Beleidigung (§ 185 Strafgesetzbuch) zur Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 200 Euro zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung verurteilt worden. Der zur Tatzeit noch nicht ganz 18-jährige Krankenpflegeschüler rief einem Polizeibeamten, der in Winnenden mit einer Unfallaufnahme beschäftigt war, aus einiger Entfernung laut "A.C.A.B." (all cops are bastards) zu und zeigte dabei mit ausgestrecktem Arm auf den Polizeibeamten (Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluss vom 23.06.2008, 1 Ss 329/08).
Eine 16-jährige Schülerin, die in der Schule einen Amoklauf durchführen wollte, ist wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Verstoßes gegen das Waffengesetz zu einer Jugendstrafe von fünf Jahren verurteilt worden (Landgericht Bonn, Urteil vom 24.11.2009, 28 KLs 18/09).
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