
My Boo – Bambusfahrrad
Jonas Stolzke und Maximilian Schay stellen Fahrräder aus Bambus her – und finanzieren mit jedem verkauften Modell Schulstipendien in Ghana. Wir haben sie besucht.
23.11.2015
Robust, leicht und vor allem: sozial. Das Kieler Startup My Boo stellt Fahrräder aus Bambus her und unterstützt damit gleichzeitig bedürftige Menschen aus Ghana. Wie das Ganze aussieht, wie es dazu kam und warum Bambus einen hervorragenden Fahrradrahmen abgibt – das erfahren Sie hier.
My Boo – Fahrräder aus Bambus
Der Name My Boo bedeutet ins Deutsche übersetzt „Mein Liebling“. Zudem stammt die zweite Silbe „Boo“ aus dem englischen Wort für Bambus: Bamboo. Und genau darum dreht sich alles im Kieler Startup My Boo.
Streng genommen besteht nur der Rahmen der My Boo Fahrräder aus Bambus. Doch der hat es in sich: Der nachwachsende Rohstoff ist robust, klimafreundlich und vom geringen
Gewicht. „Die Qualität unserer Räder zeigt sich nicht nur im Bambus“, erklärt Jonas Stolzke, Mitbegründer von My Boo. „Auch die Lackierung und alle anderen Komponenten erfüllen die höchsten Standards.“
Zudem entstehen die Rahmen unter fairen Bedingungen und in enger Kooperation mit einem sozialen Förder-Projekt in Ghana. So finanziert My Boo mit jedem verkauften Fahrrad soziale Bauprojekte, Mikro-Kredite und Schulstipendien für bedürftige Kinder.
Die Vorteile von Bambus
„Bambus ist einer der am schnellsten nachwachsenden Rohstoffe der Welt“, erläutert Jonas Stolzke. „In ein bis zwei Jahren wächst ein 25 Meter hoher Bambus wieder komplett aus. Zudem bindet er Kohlenstoffdioxid in hohen Mengen. Damit ist es ein ökologischer Rohstoff.“ Natürlich hat Bambus auch technische Vorteile. Aufgrund seiner Kammerstruktur ist er stabil und zeichnet sich durch hohe Leichtigkeit aus.
Individuelles Design
My Boo Fahrräder sind Unikate. Jedes Rohr, das das Team im Rahmen verbaut unterscheidet sich von anderen Rohren. „Die Rahmen sind mit viel Liebe zum Detail gebaut“, erklärt Jonas Stolzke. „Rund 80 Stunden Handarbeit stecken in einem Stück, was den Rahmen noch besonderer macht.“ Darüber hinaus haben die Kunden die Möglichkeit, nahezu alle weiteren Komponenten frei auszuwählen. Angefangen bei der Schaltung bis hin zu den Bremsen.
Fairer Handel mit Ghana
Nachhaltigkeit hat höchste Priorität bei My Boo. Deswegen arbeitet das Team eng mit der Non-Profit Organisation „Yonso Project“ zusammen und produziert fairtrade. Das bedeutet: Das Team erhält eine gerechte Entlohnung und arbeitet unter fairen Bedingungen. Darüber hinaus fließt ein Teil der Erlöse in soziale Projekte. Verantwortlich hierfür ist die Initiative „Yonso Project“.
Das Yonso Project ist eine soziale Non Profit Organisation aus dem Dorf Yonso in Ghana. Der Gründer des Projekts studierte dank eines Schulstipendiums Psychologie. Das bewegte ihn dazu, diese Chance auch anderen zu geben. So besteht die Aufgabe des Yonso Projects in erster Linie darin, bedürftigen Kindern Schulstipendien zu eröffnen. Darüber hinaus stattet die Initiative Bibliotheken in der Region aus und fördert arme Familien mit Mikrokrediten. Ein weiteres wichtiges Engagement sind Workshops, dank denen junge Menschen, die mit der Schule fertig sind, eine Arbeit finden. Genau in einem solchen Workshop entstehen die Bambus-Rahmen, die My Boo dem Yonso Project zu fairen Konditionen abkauft.

Wie die Idee zu My Boo entstand
Niklas, ein Freund von Maximilian Schay, bringt die beiden Gründer auf ihre Idee. Im Jahr 2012 absolvierte er ein freiwilliges soziales Jahr in Ghana, wo er Fahrräder aus Bambus sah. Wieder in Deutschland, erzählt Niklas von seiner merkwürdigen Beobachtung und steckt die beiden Studenten Maximilian und Jonas sofort an. „Wir haben uns darüber unterhalten und am nächsten Tag Links zu den unterschiedlichsten Bildern von Bambus-Fahrrädern hin und her geschickt“, erinnert sich Stolzke. „Wir waren einfach fasziniert von der Idee.“
Die Gründung von My Boo
Kein Wunder, dass sich die zwei Freunde wenige Monate später entschließen, aus der Beobachtung ihres Kumpels ein Startup zu entwickeln. Ende 2012 erblickt My Boo das Licht der Welt. Fahrräder gibt es zu dem Zeitpunkt noch keine. Die zwei Jungunternehmer wenden sich an einen Investor und stellen ihre Idee vor. Dieser erkennt das Potenzial von My Boo und greift ihnen finanziell unter die Arme.
Die Zusammenarbeit mit Ghana
Von Beginn an steht für die beiden Gründer fest, ihre wirtschaftlichen Bestrebungen mit sozialen Engagement zu koppeln. Ein Professor der Columbia University aus New York bringt sie auf das Yonso Project. Er erzählt, dass die Initiative Erfahrungen mit der Herstellung von Bambus-Fahrrädern unter fairen, nachhaltigen Bedingungen besitzt. „Wir haben sofort gesehen, dass wir unsere Idee mit dem sozialen Engagement des Yonso Projects verbinden können“, erläutert Stolzke. „So kam die Zusammenarbeit zustande.“

Das erste My Boo Fahrrad
Ein halbes Jahr nach der Gründung fliegen die beiden Gründer nach Ghana und lernen die Workshops des Yonso Projects näher kennen. Sie feilen gemeinsam mit dem Team aus Ghana an den Feinheiten ihres Rahmens und erstellen den ersten Prototyp. Den nehmen sie nach Kiel mit, wo 2013 das erste einsatzfähige My Boo Rad entsteht.
My Boo heute
Heute hat My Boo eine Manufaktur in Kiel und arbeitet mit einem Team von sieben Mitarbeitern am Erfolg von My Boo. In Ghana sind es 15 Mitarbeiter. Im Jahr 2015 gehen rund 250 Fahrräder über die Ladentheke. Nächstes Jahr peilen die Gründer 400 bis 450 Räder an. Die Räder sind online und in Fachgeschäften der großen Städte Deutschlands erhältlich. Auch im Ausland freut sich My Boo über neugierige Interessenten. Zum Beispiel in Holland, Österreich, Schweiz, Dänemark oder Italien.
Bambus-Räder aus dem 19. Jahrhundert
Fahrräder aus Bambus gab es bereits vor 100 Jahren. Schon am Ende des 19. Jahrhunderts kamen Bambusräder in Afrika und Asien zum Einsatz. Eines der ersten Bambus-Räder steht aktuell in einem Museum in Prag. Mit My Boo Rädern hat dieser Drahtesel wenig gemein. Straßenzulassung? Für den Oldtimer keine Chance. Aber es beweist, wie gut sich Bambus als Rohstoff für die Herstellung von Fahrrädern eignet.
Herstellung bei My Boo
Die Produktion von My Boo erfolgt in Ghana und später in Kiel. Am Produktionsstandort in Ghana gibt es viele Tage ohne Strom, sodass ein sparsamer Umgang mit Energie wichtig ist. Stolzke und Schay haben jeden Schritt so konzipiert, dass die Mitarbeiter im Stande sind, die Produktion der My Boo Rahmen ohne Maschinen zu bewältigen.
Zunächst schlagen die Mitarbeiter den Bambus, der in Ghana nahezu überall wild wächst.
Das Team prüft penibel die Qualität des Rohstoffs und wählt geeignete Bambusrohre für die weitere Produktion aus.
Die Mitarbeiter trocknen die ausgewählten Bambusrohre über einen Zeitraum von rund sechs Monaten, damit sich der Rohstoff im Nachhinein nicht verzieht.
Nun verbaut das Team den Bambus. Dabei spannen die Radtechniker den Rohstoff in eine Aluminiumvorrichtung, die die Rahmenform vorgibt. Die Verbindung der einzelnen Komponenten erfolgt anhand von Aluminiumteilen.
Die Stellen, an denen der Bambus auf Aluminium trifft, umwickeln die Mitarbeiter mit in Harz getränkten Hanfseilen.
Für eine perfekte Optik schleift das Team die Oberflächen des Rahmens sowie die umwickelten Stellen in Handarbeit ab.
Die Mitarbeiter verpacken die Rahmen und schicken sie nach Deutschland in die My Boo Manufaktur in Kiel.
In Kiel nimmt das Team eine genaue Prüfung der Rahmen vor und kontrolliert die Beschaffenheit.
Ist alles in Ordnung, kommen die Rahmen zum Lackierer.
In der Kieler Manufaktur ergänzt das My Boo Team alle fehlenden Teile. Das Team vervollständigt die Räder und liefert sie an die Vertriebspartner aus oder verkauft die Drahtesel online.
Maximilian Schay
Maximilian Schay ist 1991 geboren und in einem kleinen Ort in Schleswig-Holstein groß geworden. 2011 begann er sein BWL-Studium in Kiel und beabsichtigte früh, ein eigenes Unternehmen aufzubauen. Schay ist leidenschaftlicher Fußballer und begeistert sich von klein auf für Fahrräder.

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