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Das massenhafte Auftreten von Horror-Clowns erregt derzeit die Gemüter. Allein 86 Vorfälle meldete die Polizei in Nordrhein-Westfalen innerhalb von wenigen Tagen. In Berlin kam es schon zu einem Gewaltausbruch. Dieser traf allerdings den Horror-Clown, denn der wurde von einem Jugendlichen niedergestochen. An diesen Vorfall musste ich sofort denken, als mich um zehn Uhr abends der Anruf eines Mandanten erreichte. Der Mandant trank gerade mit zwei Kumpels in einer Düsseldorfer Wirtschaft sein Feierabend-Bierchen. „Zwei Tische weiter sitzt so ein Horror-Clown“, berichtete er mit bebender Stimme. Dann kam er mit erfrischender Direktheit zu dem Punkt, wo er mich als Anwalt brauchte: „Ist es o.k., wenn wir dem Clown was auf die Mütze geben?“

„Auch Geschmacklosigkeiten fallen unter das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit.“

Notwehr gegen Horror-Clowns?

Mit einem simplen Ja oder Nein ist die Frage nicht zu beantworten. Zunächst sollte man sich klarmachen, dass wir in einem freien Land leben. Auch Geschmacklosigkeiten fallen unter das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Niemand ist daran gehindert, auch außerhalb von Karneval oder Halloween eine Gesichtsmaske zu tragen. Außer auf Demonstrationen, dort gilt das Vermummungsverbot. Auch beim Besuch einer Bank würde ich es nicht empfehlen.

Ist ein Horror-Clown ansonsten friedlich und hält er sich an einem neutralen öffentlichen Ort wie etwa einer Fußgängerzone auf, wird man damit leben müssen. Ebenso wie mit Rudeln gröhlender Fußballfans, aggressiv bettelnden Punks oder 60 Rheinländern auf Kegeltour

„Selbstjustiz wäre in diesem Fall ganz klar unzulässig.“

Belästigung der Allgemeinheit, aber keine Straftat

Eine kleine Ausnahme gilt allerdings. In der Nähe von Schulen, Spielplätzen und Kindergärten könnte nach meiner Einschätzung schon der bloße Auftritt eines Horror-Clowns juristische Konsequenzen haben. Dann liegt möglicherweise eine „Belästigung der Allgemeinheit“ vor. Das Gesetz fordert hierfür eine „grob ungehörige Handlung“, die schon in dem Tragen des Kostüms liegen kann, sofern Kinder verängstigt werden.

Eine Straftat ist aber auch das nicht. Mehr als ein Bußgeld müsste ein friedfertiger Horror-Clown auch in der Nähe einer Schule oder eines Spielplatzes nicht fürchten. Selbstjustiz wäre in diesem Fall ganz klar unzulässig. Vielmehr sollte man die Polizei rufen und dieser die Prüfung des Sachverhalts überlassen.

Bei dem Versuch der gefährlichen Körperverletzung droht Freiheitsstrafe

Deutlich anders sieht es aus, wenn der Horror-Clown sich auch entsprechend seiner Kostümierung verhält. Schon das heftige Erschrecken anderer Personen kann eine strafbare Körperverletzung sein, wenn das Opfer entsprechend reagiert. Beispiele sind Herzrasen oder Panikattacken. Hält der Horror-Clown sogar eine Waffe in der Hand, etwa ein Messer, einen Baseballschläger oder gar eine Kettensäge, liegt möglicherweise sogar der Versuch einer gefährlichen Körperverletzung vor. Hierfür können durchaus mehrjährige Freiheitsstrafen verhängt werden.

„In der juristischen Praxis fangen an dieser Stelle die Deutungsprobleme an.“

Wenn der Horror-Clown mit seinem Verhalten die Grenze des Erlaubten überschreitet

Unser Strafgesetzbuch hält einen geradezu opulenten Katalog an Tatbeständen vor, die Horror-Clowns in die Schranken weisen – ebenso wie jeden anderen Durchgeknallten in Straßenkleidung. Ruft der Horror-Clown zum Beispiel „Ich stech' dich ab“ oder ähnliches, kann dies eine strafbare Bedrohung sein. In Frage kommt auch die sogenannte Störung des öffentlichen Friedens durch die Androhung von Straftaten. Das wäre etwa der Fall, wenn ein Horror-Clown gleich eine größere Personengruppe in Angst und Schrecken versetzt. In sehr vielen Fällen wird auch eine strafbare Nötigung oder zumindest deren Versuch vorliegen, etwa wenn der Horror-Clown Passanten den Weg versperrt oder eine Fahrspur blockiert.

Wann greift das Notwehrrecht?

Macht sich der Horror-Clown im soeben beschriebenen Sinne strafbar, hat man als Betroffener durchaus schneidige Notwehrrechte. Bei uns gilt der Grundsatz, wonach das Recht dem Unrecht nicht weichen muss. Allerdings greift das Notwehrrecht nach der juristischen Definition nur, wenn der Angriff des Horror-Clowns einige Voraussetzungen erfüllt. Die Tücken liegen hier wie so oft im Detail.

Zunächst muss der der Angriff gegenwärtig sein. Das ist nur dann der Fall, wenn der Horror-Clown unmittelbar zu einer Attacke ansetzt, also etwa ein Messer hebt oder einen Baseballschläger schwingt.

In diesem Fall hat man das Recht, sich zu wehren oder dem Angegriffenen entschieden zur Seite zu springen – sogenannte „Nothilfe. Eventuelle Verletzungen, die man als Angegriffener oder Retter dem Horror-Clown etwa durch Schläge oder Pfefferspray zufügt, wären dann nicht strafbar. Jedenfalls in der Theorie.

In der juristischen Praxis fangen an dieser Stelle die Deutungsprobleme erst an. Man denke nur an die öffentlich heiß diskutierten Fälle, in denen Fahrgäste in Bussen und Bahnen Bedrohten couragiert zur Seite sprangen. Dennoch fanden sich die Nothelfer oft genug selbst auf der Anklagebank wieder, weil das Notwehr- bzw. Nothilferecht bezweifelt wurde. Oder auch, weil die zunächst zulässige Gegenwehr letztlich in einen unnötigen – und verbotenen – Gewaltexzess gegen den Angreifer mündete.

„Auch das viel diskutierte Festnahmerecht für Jedermann sollte man nicht unbedingt strapazieren.“

Unkontrollierte Selbstjustiz ist nicht angebracht

Die Polizeibehörden raten angesichts der Horror-Clowns deshalb völlig zu Recht dringend davon ab, sich von einem Jagdfieber auf diese Gestalten infizieren zu lassen. Die Stimmung gegen Horror-Clowns wird gerade in sozialen Medien momentan heftig geschürt. Unkontrollierte Selbstjustiz durch ehrenamtliche Clownswehren finde ich angesichts der Tatsache, dass die Polizei ja offensichtlich wachsam und einsatzbereit ist, aber ebenso unnötig und eigentlich nicht weniger erbärmlich als die Horror-Clowns selbst.

Doch zurück zu den Voraussetzungen des Notwehrrechts. Ein Angriff des Horror-Clowns muss nicht nur gegenwärtig, sondern auch rechtswidrig sein. Mit dieser Rechtswidrigkeit gibt es aber juristisch sehr schnell heftigste Probleme. Und zwar wenn man davon ausgeht, dass der Masken-Trend wahrscheinlich ein Jugendphänomen ist. Hinter sehr vielen Horror-Masken werden die Gesichter von gerade Mal 15- oder 16-Jährigen stecken. Diesen Milchbubis wird im Zweifel eine altersbedingte Unreife gut geschrieben.

Nicht zu vernachlässigen ist auch das Risiko, an einen psychisch labilen oder gar geistig gestörten Horror-Clown zu geraten. Auch im Falle eingeschränkter oder gar aufgehobener Zurechnungsfähigkeit des Angreifers steigt das Risiko für zupackende Clown-Gegner, denen dann womöglich eine Überschreitung des Notwehrrechts angekreidet wird.

Auch das viel diskutierte Festnahmerecht für Jedermann sollte man nicht unbedingt strapazieren. Das Festnahmerecht greift zum Beispiel ein, wenn der Angriff schon beendet ist und der Horror-Clown flüchtet. Dann darf man ihn festhalten, bis die Polizei kommt. Aber auch das nur auf eigenes Risiko und nur mit den notwendigsten Mitteln. Stellt sich später heraus, dass der Horror-Clown gar keine Straftat begangen hat, muss sich der Festnehmende womöglich selbst wegen Nötigung oder Freiheitsberaubung verantworten. Auf einen Irrtum kann man sich in diesem Fall kaum berufen.

Kurzweiliger Gegenwartstrend?

Es gibt also eine enorme Menge an Unsicherheiten. Man kann angesichts dessen eigentlich nur hoffen, dass es mit den Horror-Clowns eine ähnliche Entwicklung nimmt wie mit Flashmobs. Dieses Phänomen, das allerdings weitaus lustiger war als Horror-Clowns, wurde vor einigen Jahren ja auch als ein großer Gegenwartstrend ausgerufen, der uns über lange Zeit begleiten wird. Nach einigen Monaten gab's aber schon keine Flashmobs mehr.

Bis die Horror-Clowns ebenfalls diesen Weg antreten, kann Augenmaß auf keinen Fall schaden. So habe ich meinem Mandanten in der Eckkneipe auch dringend davon abgeraten, den Horror-Clown zu stellen. Das Problem hat sich dann auch sehr schnell gelöst, und zwar friedlich. Der Wirt weigerte sich standhaft, dem Clown ein Altbier zu verkaufen. Der Clown zog dann kleinlaut davon – unter dem sicher nicht strafbaren Gelächter der übrigen Gäste.

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